Verona Principles
Die Verona Principles des International Social Service (ISS) wollen Grundlage für die internationale Diskussion über Sicherheitsmaßnahmen bei Leihmutterschaft sein. Unterstützt werden sie von UNICEF und der ehemaligen UN-Berichterstatterin für Kinderhandel Maude de Boer-Buquiccio, beste Kontakte gibt es auch zur Haager Konferenz für Privatrecht.
Emotionslos und ohne Vorurteile wolle man sich dem Thema Leihmutterschaft widmen – und dabei vor allem die Rechte der Kinder schützen. Denn Leihmutterschaft sei eine Tatsache. Ohne Regulierung, so die These der Verona Principles, käme es zu ernsthaften Verletzungen von Rechten aller Beteiligten, zuerst die der Kinder. Die Prinzipien sollen den Regierungen und Interessensvertretern als Diskussionsgrundlage dienen, wie sie dem Thema Leihmutterschaft begegnen wollen.
Erstellt wurden sie im Wesentlichen von einer Kerngruppe aus sieben Jurist:innen, darunter John Pascoe und Michael Wells-Greco, die auch an den Empfehlungen zur Leihmutterschaft der Haager Konferenz für Privatrecht arbeiten, sowie Olga Khasova, Mitglied der Kinderrechtskommission der UN. Maude de Boer-Buquiccio, UN-Berichterstatterin über Kinderhandel und die sexuelle Ausbeutung von Kindern, begleitete den Prozess und verfasste eine Vorbemerkung. 15 Mitglieder der UN-Kinderrechtskommission unterschrieben ein unterstützendes Statement. Herausgeber ist ISS, International Social Service, unter Mia Dambach, eine Organisation, die sich mit Auslandsadoptionen beschäftigt.
Keine Billigung von Leihmutterschaft
Die Principles stellten keine Billigung von Leihmutterschaft dar. Aber sie lehnen sie auch nicht ab. In der Prämbel ist festgehalten, dass alle Formen von Leihmutterschaft, die zu Kinderhandel führen, verboten werden sollen, denn der Verkauf, der Handel von Kindern verletzte die menschliche Würde. Das beste Interesse der Kinder solle Leitgedanken sein.
Klar sei auch, es könne kein Recht auf ein Kind geben und auch kein Recht auf ein Kind mit bestimmten Eigenschaften. Die Leihmutterschaft könne hier falsche Erwartungen wecken.
Wie Kinderhandel verhindert werden soll
Die Principles nehmen keine Bewertung von altruistischer oder kommerzieller Leihmutterschaft vor. Das Problem des Kinderhandels als eine der zentralen Gefahren bei Leihmutterschaft nimmt größeren Raum ein.
Kommerzielle Leihmutterschaft beinhalte eine Bezahlung. Sie enthalte mit den Elementen „Bezahlung“ und „Transfer“ des Kindes zwei Elemente von Kinderhandel.
Staaten hätten somit – so die Principles - zwei Möglichkeiten: eine sei, kommerzielle Leihmutterschaft zu verbieten. Eine andere sei, die Bezahlung der Leihmutter vom Transfer des Kindes zu trennen. Das bedeute: jegliche Bezahlung oder Aufwandsentschädigung habe im Vorhinein zu erfolgen und müsse für die Dienstleistung der Schwangerschaft erfolgen - unabhängig davon, ob das Kind übergeben werde. Diesbezügliche Willenserklärungen der Leihmutter müssten unverbindlich sein. Die Entscheidung, an wen das Kind schließlich übergeben werde, solle im Konfliktfall anhand des Kindeswohls festgestellt werden.
Die Vermittlung durch Agenturen solle entweder gesetzlich reguliert oder dezidiert verboten werden. Unverhältnismäßig hohe Vergütung der Dienstleistung solle nicht passieren, jegliche Vergütung möge schriftlich festgehalten werden.
Sicherheitsvorkehrungen im Verlauf der Entscheidung
Maßnahmen im Zusammenhang mit der Entscheidungsfindung für oder gegen Leihmutterschaft und die Übereinkunft über das Prozedere nennen die Principles „pre-surrogacy protections“. Sie sollen von unabhängigen Professionisten erstellt werden.
Darin sollten eine Reihe von rechtlichen und gesundheitlichen Untersuchungen und Prüfungen enthalten sein, etwa die unabhängige rechtliche Beratung der Leihmutter, der Check des Strafregisters von Leihmutter und Wunscheltern, eine psychosoziale Beratung der Leihmutter, die Bestätigung, dass kein Zwang oder Ausbeutung vorliegt, die Übereinkunft darüber, wie die zukünftige Beziehung zwischen Leihmutter, Kind und Wunscheltern aussehen soll, die Sicherstellung, dass die rechtlichen und finanziellen Übereinkünfte verstanden werden und anderes mehr.
Wie die Gesundheit des Kindes gewährleistet werden soll
Die Principles sprechen keine Beeinträchtigung der Gesundheit des Kindes an, die durch die Leihmutterschaft selbst entstehen können, wie riskante Schwangerschaften, verhinderte erste Bindung und Bindungsbrüche.
Sie fokussieren sich vor allem auf die Absicherung durch Gesundheitsdienstleister – es müsse eine Versicherung für die Kinder geben. Werden Ei- oder Samenzellen Dritter verwendet, seien diese auf vererbliche Krankheiten oder genetische Schäden zu untersuchen. Die Kosten für die Geburt und die Versorgung nach der Geburt müsse abgesichert sein.
Wer ist Mutter/Eltern des Kindes nach Verona Principles?
Die Principles halten fest: in den meisten Staaten sei die Frau, die das Kind zur Welt bringt, rechtlich die Mutter. Das heißt: soll die Elternschaft auf die Wunscheltern übertragen werden, müsse es dafür ein legales und sicheres Verfahren geben.
Nach der Geburt müssten die Wünsche der Leihmutter berücksichtigt werden, insbesondere ob sie der Übergabe der Elternrechte zustimmt. Sie müsse ihre Zustimmung zur Übertragung der Elternschaft ohne finanzielle Konsequenzen zurückziehen können.
Dass sie das Kind dann aber einfach behalten kann, sei damit noch nicht gesagt. Das Kindeswohl stehe im Vordergrund: bei Konflikten zwischen Leihmutter und Wunscheltern, im Fall der Meinungsänderung der Leihmutter, auch in dem Fall, dass Leihmutterschaft im Herkunftsland der Wunscheltern illegal sei.
Übernehmen weder die Leihmutter noch die Wunscheltern die elterlichen Rechte freiwillig, soll das nicht erzwungen werden. Die finanzielle Absicherung des Kindes soll aber im Vorhinein bis zu einem gewissen Grad durch Staaten, die Leihmutterschaft erlauben, eingefordert werden. Es muss klar sein, dass Wunscheltern für Gesundheit und Wohlergehen des Kindes zuständig sind, auch wenn sie nicht rechtliche Eltern sind oder werden.
Absicherung der Leihmutter
Die Principles enthalten nur ganz wenige Mindeststandards, die Leihmütter schützen sollen: so soll die Leihmutter erwachsen sein und bereits einmal geboren haben. Im Weiteren bleiben die Principles vage – das Arrangement soll frei von Zwang oder Betrug sein. Ein wesentlicher Faktor ist die informierte Entscheidung. Die Leihmutter müsse dem rechtlichen wie auch dem medizinischen Prozedere informiert zustimmen, etwa der Anzahl der implantierten Embryonen. Sie soll Kontrolle über ihren Körper behalten durch das Recht, medizinische Maßnahmen zurückzuweisen oder zu verlangen. Konkrete Maßnahmen – Abtreibung, Pränataldiagnostik – werden nicht genannt. Über die Art der Geburt soll die Leihmutter selbst entscheiden können.
Wie das Recht auf Kenntnis der Abstammung gesichert werden soll
Staaten sollten sicherstellen, dass ein Kind, das durch Leihmutterschaft geboren wird, Zugang zu Informationen über seine Identität erhält – dies auch als Erwachsener. Eine anonyme Leihmutterschaft wird in den Verona Principles ebenso abgelehnt wie eine anonyme Ei- oder Samenspende. Staaten, die Leihmutterschaft erlauben, sollen ein Leihmutterschaftsregister einführen.
Sicherheitsvorkehrungen bei Problemen im Zuge von Leihmutterschaft
Staaten, die Leihmutterschaft erlauben, müssten sichergehen, dass Kinder abgesichert sind, wenn es unerwartete Entwicklungen gibt und Notsituationen, etwa jener, dass niemand das Kind haben will. Eine Notlage des Kindes müsse sofort erkannt und es müssen Maßnahmen ergriffen werden, um die Versorgung des Kindes sicherzustellen. Mediation im Fall von Schwierigkeiten soll zur Verfügung gestellt werden, ebenso psychosoziale Unterstützung. Es müsse Prozesse geben, um Entscheidungen im Interesse des Kindeswohls rasch zu treffen.
Zwei Anmerkung von Martina Kronthaler, GSekr aktion leben österreich:
- „Wir beschäftigen uns intensiv mit den aktuellen Regulationsbemühungen von Leihmutterschaft auf internationaler Ebene. Die Probleme durch Leihmutterschaft – die gestrandeten Kinder, die prekäre Situation der Leihmütter, der Handel mit den durch Leihmütter geborenen Kinder – werden gesehen und auch angesprochen. Dennoch wird eher darauf hingearbeitet, die Technik der Leihmutterschaft rechtlich abzusichern und sicherer zu machen, nicht aber sie zu verhindern. Uns scheint das Bewusstsein dafür zu fehlen, dass mit Leihmutterschaft die Probleme erst erzeugt werden“.
- „Leihmutterschaft ist kein wünschenswerter Weg zu einem Kind, bei allem Verständnis für die Menschen mit Kinderwunsch. Wir wollen keine rechtliche Absicherung der Betreiber von Leihmutterschaft, wir wollen eine menschenwürdige Lösung. Am sichersten wäre ein internationales Verbot von Leihmutterschaft“.