Elternschaftszertifikat
Kommissionspräsidentin Ursula van Leyen kündigte in ihrer Rede zur Lage der Union 2020 an: “If you are parent in one country, you are parent in every country”. Es solle sichergestellt werden, dass Elternschaft, die in einem Land festgestellt wird, in jedem anderen Land der EU gilt. Die Elternschaft soll anerkannt werden unabhängig davon, wie das Kind gezeugt oder geboren wurde und unabhängig von der Art der Familie. Ziel ist, Regenbogenfamilien zu stärken, Rechtsunsicherheiten z.B. bei homosexuellen Eltern abzubauen und die Rechte der Kinder zu stärken.
Vorschlag von 2021 stark kritisiert
Die EU-Kommission erarbeitete daraufhin einen Vorschlag für eine Richtlinie, nach der die in einem EU-Land festgestellte Elternschaft EU-weit anerkannt wird. 2021 gab es die Möglichkeit, öffentlich Stellung zu beziehen, was 760 Mal genutzt wurde.
Viele der Rückmeldungen zeigen sich deutlich skeptisch und ablehnend: So warnt zum Beispiel die österreichische Initiative „stoppt leihmutterschaft“ in ihrer Stellungnahme vor einer Unterwanderung von Schutznormen wie dem Verbot von Leihmutterschaft. Leihmutterschaft sei aus gutem Grund in den meisten Mitgliedstaaten verboten.: „Nachdem rechtliche Elternschaft immer mehr von biologischer Elternschaft divergieren kann und einem willkürlichen Akt gleichkommt, der den Begriff „Elternteil“ immer mehr seinem natürlichen Verständnis entzieht, bedeutet der Satz „if you are parent in one country, you are parent in every country“ keine bloße Selbstverständlichkeit mehr, sondern muss programmatisch verstanden werden. Genau vor diesem programmatischen Ansatz aber warnen wir und appellieren dringend, dass Rechtsvereinfachung nicht zur Unterwanderung von rechtsethischen Entscheidungen verwendet wird, die nicht nur in die Kompetenz der Mitgliedstaaten fallen, sondern vor allem auch dem Schutz von Kindern und Frauen“ dienen sollen."
Leihmutterschaft als Beispiel genannt
Meint die Richtlinie auch die Leihmutterschaft? Ist gewollt, dass Elternschaft aus Leihmutterschaften anerkannt werden. Definitiv ja. Am 7.12. 2022 veröffentlichte die Kommission eine „Folgenabschätzung“, in der mögliche Anwendungsfälle angeführt sind.
Eines von sechs genannten Beispielen ist ein Paar, dass eine Leihmutterschaft in Anspruch nimmt. Ist Leihmutterschaft in dem Land, in dem sie leben, nicht erlaubt, soll die Elternschaft in ihrem Heimatland jedenfalls anerkannt werden.
Das bedeutet: Es ist kein Kollateralschaden, dass Leihmutterschaft mit gemeint ist – es ist ausdrücklich an Leihmutterschaft gedacht worden. Kinder aus Leihmutterschaften sind anzuerkennen.
Bedenken sind vielfach geäußert
Ein Bürger stellte bereits am 9.12. ein feedback dazu online, das im Wesentlichen unsere Bedenken zusammenfasst:
„Meine Sorge wäre, dass diese Gesetzgebung die Elternschaft von Paaren legalisieren würde, die ihre Kinder von Leihmüttern gekauft haben. Dies ist in vielen europäischen Ländern illegal. Aus gutem Grund: Die Leihmütter sind oft verletzliche Frauen aus armen Verhältnissen. Der Kauf eines Kindes von einer Leihmutter ist reine wirtschaftliche Ausbeutung, wenn nicht sogar Menschenhandel. Darin steckt auch ein rassistisches Element (da diese Frauen oft in der Dritten Welt oder in Osteuropa leben) und es ist Ausdruck einer tiefgreifenden Frauenfeindlichkeit und Verletzung der Frauenrechte (Frauen werden als reine Zuchtkörper zu behandelt). Dies sollte nicht durch die EU-Gesetzgebung belohnt werden. Und noch ein Aspekt: Würde die Leihmutter auch als Elternteil mit elterlichem Recht anerkannt werden? Immerhin ist sie mit dem Kind schwanger und bringt es zur Welt, sie ist meiner Meinung nach (auch) die Mutter oder zumindest ein Elternteil. Irgendwann würde das Kind auch zu Recht wissen wollen, wer seine Mutter ist. All dies scheint nicht berücksichtigt worden zu sein.“
Wir finden: Dass Kinder nicht irgendwo stranden sollen oder illegal werden, ist einleuchtend und auch menschenwürdig. Aber die Anerkennung der Elternschaft soll nicht (wie derzeit) die nationalen Verboten von Leihmutterschaft untergraben.
Entschieden ist noch nichts
Noch ist nichts entschieden, denn der Vorschlag der EU-Kommission muss vom EU-Rat (Versammlung der zuständigen Fachminister der Mitgliedsstaaten) bestätigt werden.
Offener Brief an BM Alma Zadic und BM Susanne Raab
Von 2.2.2023
Stimmen Sie für ein Verbot der Leihmutterschaft in der EU!
Machen Sie sich stark für Kinder- und Frauenrechte!
Leihmutterschaft bedeutet Handel mit Kindern und verstößt gegen die Menschenwürde von Frauen. Kein Mensch darf ein handelbares Objekt sein. Hinter Leihmutterschaft steckt das Konzept des Ausnutzens globaler Ungerechtigkeiten, um auf Kosten der physischen und psychischen Integrität von Frauen Profit zu erzielen. Leihmutterschaft ist zum Schutz von Frauen und Kindern in Österreich verboten.
In § 35 der UN-Kinderrechtskonvention, die im Rang der internationalen Menschenrechte steht, ist der Handel mit Kindern ausdrücklich verboten:
„Die Vertragsstaaten treffen alle geeigneten innerstaatlichen, zweiseitigen und mehrseitigen Maßnahmen, um die Entführung und den Verkauf von Kindern sowie den Handel mit Kindern zu irgendeinem Zweck und in irgendeiner Form zu verhindern.“
Nun will die EU-Kommission mit ihrem „Vorschlag zur Regulierung und Anerkennung grenzüberschreitender Elternschaft“ Kinderhandel legalisieren, denn es soll ausdrücklich auch Elternschaft durch Leihmutterschaft anerkannt werden.
Es ist uns wichtig, die Rechte der Kinder in jeder Hinsicht zu wahren. Durch Leihmutterschaft werden Kinderrechte grundlegend missachtet. Wir verwahren uns daher dagegen, eine Technik unter Berufung auf die Kinderrechte zu legalisieren, die durch sie verletzt werden. Das Sichern der Rechte von Kindern aus Leihmutterschaft soll auf anderen Wegen erfolgen als die EU-Kommission vorschlägt. Nationale Verbote dürfen nicht unterwandert werden.
Wir bitten Sie, sehr geehrte Frau Bundesministerin,
- der EU-Kommission bis 13. Februar 2023 Ihr Nein zur Leihmutterschaft mitzuteilen.
- in der Frage der Leihmutterschaft einen konsequenten Perspektivenwechsel zugunsten von Kindern vorzunehmen und Gesetze nicht nach den Wünschen erwachsener Menschen zu machen.
Ein Recht auf ein Kind gibt es nicht.
Die unterzeichnenden Organisationen stehen zur internationalen Konvention der Kinderrechte und zu den Rechten von Frauen. Aus diesem Grund treten wir für ein klares nationales und internationales Verbot von Leihmutterschaft ein.
aktion leben österreich | Katholischer Familienverband Österreich
Katholischer Laienrat Österreichs | Arbeitsgemeinschaft Katholischer Verbände Österreich | Katholische Aktion Österreich
Rückmeldungen dazu:
Rückmeldung aus dem Büro von Familienministerin Susanne Raab
„… Ihre Bedenken gegen die Leihmutterschaft und die Anerkennung der Elternschaft aus ausländischen Leihmutterschaftsvereinbarungen werden vollinhaltlich geteilt.
Die Leihmutterschaft kann schwere psychische Belastungen bei Leihmüttern hervorrufen, begünstigt systematische Ausbeutung und Menschenhandel und steht daher im Widerspruch zur Menschenrechtskonvention.
Daher hat sich die Österreichische Bundesregierung in ihrem Regierungsprogramm klar dazu bekannt, am Verbot der Leihmutterschaft und den Maßnahmen gegen ihre Kommerzialisierung festzuhalten.
Da für Angelegenheiten des internationalen Familienrechts das Bundesministerium für Justiz zuständig ist, hat das Familienressort in einer Stellungnahme gegenüber dem Justizministerium klargestellt, dass kein diesbezüglicher Normierungsbedarf auf EU-Ebene besteht und die nationalen österreichischen Vorschriften als ausreichend erachtet werden.
Vielmehr ist auf internationaler Ebene ein generelles Verbot der Leihmutterschaft zu forcieren.
Ich danke Ihnen ausdrücklich für Ihren Einsatz zugunsten der Rechte von Kindern und Frauen in Österreich.“
Rückmeldung aus dem Büro von EU-Abg. Lukas Mandl (ÖVP)
„... Es ist zu befürchten, dass moralische und ethische Standpunkte noch nicht ausreichend in die Debatte der Europäischen Kommission eingeflossen sind. Herr Abgeordneter Mandl wird sich jedoch auch weiterhin kritisch zu einschlägigen Vorschlägen in dieser Thematik positionieren.“
Rückmeldung aus dem Büro von EU-Abg. Evelyn Regner (SPÖ)
„... Lassen Sie mich Ihnen jetzt bereits versichern, dass unsere SPÖ-Abgeordneten sich dafür einsetzen werden, dass dieser neue Kommissionvorschlag keine Hintertür für (insbesondere kommerzielle!) Leihmutterschaft in der EU öffnen wird.“
Rückmeldung aus dem Büro von EU-Abg. Fiona Fiedler (Neos)
„... Wir sehen die Leihmutterschaft, insbesondere die kommerzielle, sehr kritisch. In Österreich gibt es gute Gründe für ein Verbot, sei es aus medizinischer, ethischer oder vor allem rechtlicher Perspektive. Wir werden die Entwicklungen, auch auf EU-Ebene, daher sehr genau beobachten.“
Rückmeldung aus dem Büro von EU-Abg. Angelika Winzig (ÖVP)
„… Sie können versichert sein, dass wir die österreichische Rechtslage vertreten und sich unsere Position hinsichtlich Leihmutterschaft auch nicht verändert hat.”
Entschließungsantrag der FPÖ
FPÖ-Abgeordnete Rosa Ecker griff den offenen Brief auf und formulierte gemeinsam mit vier Parteikollegen den Entschließungsantrag 3169/A(E) vom 24.2.2023. Darin fordert sie die Bundesregierung und insbesondere die Frauen- und die Justizministerin dazu auf, sich auf EU-Ebene für ein generelles Verbot der Leihmutterschaft auszusprechen. Der Entschließungsantrag wurde dem Ausschuss für Familien und Jugend zugewiesen.
Amerkung aktion leben zur altruistischen Leihmutterschaft
Die erkennbar kritische Position zur Leihmutterschaft freut uns. Wir sind dennoch nur vorsichtig optimistisch. Nicht alle Parteien lehnen neben der kommerziellen Leihmutterschaft – das ist die Variante, bei der die Leihmutter bezahlt wird – auch die altruistische
Leihmutterschaft ab.
Die altruistische Leihmutterschaft verbietet eine Bezahlung der Leihmutter, da sie dies als Bezahlung für ein Kind und damit als Kinderhandel wertet. Doch sind sogenannte Aufwandsentschädigungen erlaubt. Damit ist der Unterschied in der Praxis meist ein geringer
bzw. nur ein formaler. Altruistische Leihmutterschaft ist ein trojanisches Pferd für alle Formen von Leihmutterschaft.