Reproduktionsmedizin und Recht
Die Voraussetzungen zur Durchführung von Techniken der assistierten Reproduktionsmedizin (ART) in Österreich sind im Fortpflanzungsmedizingesetz (FMedG) geregelt. 2014 wurde das Gesetz umfassend reformiert, seit 23.2.2015 sind die Neuerungen in Kraft.
Das Fortpflanzungsmedizingesetz (FMedG) regelt u.a.
- Die Zulässigkeit reproduktionsmedizinischer Maßnahmen (Voraussetzungen). Sie sollen v.a. dann zur Anwendung kommen, wenn eine Schwangerschaft auf natürlichem Weg nicht möglich ist. Eine Form der Partnerschaft (zwei Elternteile) ist Voraussetzung. Zwei Frauen in einer Partnerschaft können Reproduktionsmedizin in Anspruch nehmen – Single-Frauen sind ausgenommen.
- Fortpflanzungsmedizin bedeutet, dass Samen- und Eizellen sowie Embryonen untersucht, ausgewählt, gehandelt, theoretisch auch genetisch verändert werden können. Das Gesetz regelt, unter welchen Voraussetzungen eine Untersuchung und somit eine Selektion der Embryonen erlaubt ist. Handel und genetisches Modifizieren sind nicht erlaubt. Auch die Aufbewahrung der Ei- und Samenzellen ist geregelt.
- Sehr späte Schwangerschaften jenseits des fruchtbaren Alters sind nur mit einer Eizellspende möglich. Das Gesetz sieht bei der Eizellempfängerin eine Altersgrenze bei 45 Jahren dafür vor, um hochriskante Schwangerschaften zu verhindern.
- Das Gesetz schützt die Samenspender bzw. die Eizellspenderinnen insofern, als sie nicht als Vater bzw. Mutter festgestellt werden können. Das Gesetz schützt aber auch die Rechte der Kinder. Sie sollen die Identität des Samenspenders bzw. der Eizellspenderin erfahren können. Eine anonyme Keimzellspende ist in Österreich verboten und entspricht damit dem Kinderrecht auf Kenntnis der eigenen Herkunft. Ein zentrales Keimzellspendenregister gibt es bisher aber nicht. Menschen, die vermuten, dass sie durch eine Keimzellspende gezeugt wurden, aber nicht wissen bei welchem Institut, haben daher keine Möglichkeit nachzufragen.
- Eigentlich sollen laut Gesetz nur so viele Embryonen erzeugt werden, wie zur Herbeiführung einer Schwangerschaft nötig sind. Die hohe Zahl der gelagerten Embryonen lässt darauf schließen, dass dies nicht konsequent umgesetzt wird.
- Leihmutterschaft ist im FMedG nicht explizit geregelt. Die Leihmutterschaft ist nach gängiger Rechtsauslegung dennoch in Österreich implizit auch durch das FMedG verboten.
Zahlen und Daten zu reproduktionsmedizinischen Maßnahmen
Informationen zur Fortpflanzungsmedizin in Österreich finden sich in der In-vitro-Fertilisations-Statistik nach § 21 FMedG. Hier sind in den jeweiligen Jahresberichten z.B. die Anzahl der durchgeführten In-vitro-Fertilisationen (IVF) oder die Anzahl der Schwangerschaften nach Samen- bzw. Eizellspenden zu finden.
Eine weitere Statistik bezieht sich auf jene Fälle, die durch den IVF-Fonds gefördert werden.
Beide Statistiken werden von Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) verwaltet und veröffentlicht.
Wir halten die vorhandenen Statistiken für ungenügend. Zu den Basisinformationen sollte es mehr verlässliche Informationen auch über die Risiken reproduktionsmedizinischer Maßnahmen für Frauen und Kinder geben.
Verbesserungsbedarf hinsichtlich Transparenz und Begleitforschung
Viele Kinder sind bereits durch Fruchtbarkeitsbehandlungen geboren worden, vielen Menschen mit Kinderwunsch konnte somit medizinisch wirkungsvoll geholfen werden.
Wir sehen Verbesserungsbedarf vor allem hinsichtlich Transparenz und Begleitforschung, denn Fruchtbarkeitsbehandlungen (insbesondere die IVF, die Eizellspende und die Leihmutterschaft) gehen mit spezifischen Risiken einher. Die vorgeschriebene Statistik ist ungenügend.
Nachgewiesen und immer wieder publiziert ist ein erhöhtes Fehlbildungsrisiko für IVF-Kinder, ein erhöhtes Risiko für Frühgeburtlichkeit und ein niedriges Geburtsgewicht. Dies wird in den angesprochenen Statistiken nicht erhoben. Die speziellen Risiken bei IVF-Schwangerschaften erklären, dass IVF-Techniken nur bei nicht anderweitig behandelbarer Sterilität angewendet werden sollte.
Grenzen sind nötig, um Missbrauch zu verhindern. Sie schützen alle Beteiligten: die Anbieter:innen vor Wünschen, die sie nicht erfüllen können oder wollen, die Kinderwunschpaare vor riskanten und wenig aussichtsreichen Behandlungen, die Frauen und Kinder vor gesundheitlichen Risiken. Diese Grenzen müssen natürlich immer wieder neu ausgehandelt werden.
Unsere aktuellen gesetzlichen Anliegen
Unserer Meinung nach sind Grenzen dort zu ziehen, wo Kinder- und Frauenrechte missachtet werden. Die Gesundheit der Kinder und der Frauen, die sich fremdnützigen Eingriffen unterziehen, muss Vorrang haben.
- Aktuell setzen wir uns ein gegen Social Egg Freezing – d.h. das prophylaktische Einfrieren von eigenen Eizellen in jungen Jahren. Dies ist der unsicherste und zugleich teuerste Weg zu einem Kind. Daher ist Social Egg Freezing attraktiv vor allem für jene, die daran verdienen.
- Wir fordern ein europaweites Verbot von Leihmutterschaft, die dem Wesen nach Kinderhandel ist. Eine Schwangerschaft ist kein mechanischer Vorgang, der ausgelagert werden kann.
- Wir bestehen auf die Umsetzung des zentralen Keimzellspendenregisters. Seit 2015 sind Eizellspenden erlaubt, Samenspenden schon viel länger. Den Beschluss zur Ausarbeitung einer entsprechenden Ministerialvorlage gibt es – doch der Gesetzesvorschlag dafür liegt nicht vor. Somit können Kinder aus Keimzellspenden weiterhin nicht sicher erfahren, wer genetisch Elternteil ist.
- Ein stärkeres Augenmerk auf die Ursachen von Unfruchtbarkeit ist bedeutsam. Menschen können selbst viel zum Erhalt ihrer Fruchtbarkeit tun: Ein gesunder Lebensstil (Verzicht auf Nikotin und Alkohol) sowie ausreichend Bewegung und eine ausgewogene Ernährung spielen eine große Rolle. Alle sind wir verantwortlich für eine Umwelt mit möglichst wenig Schadstoffen.